Hatte Oscar Wilde recht?

Wer die Nachrichten über Unternehmenskäufe verfolgt, dem kann, frei nach Oscar Wilde, der Eindruck entstehen, dass der Zyniker den Preis von allem kennt, aber den Wert von nichts. So scheint oft unerklärlich, warum übernehmende Firmen für bestimmte Unternehmen besonders hohe Aufschläge zahlen und für andere das Gegenteil, also den Unternehmenswert offensichtlich nicht haben erkennen können oder wollen. Oder wurde auf Verkäuferseite einfach nur schlecht verhandelt?

Hatte Oscar Wilde recht?Bild: Pexels/Lukas

Wichtiger als Bewertungsmethoden: die Wertsteigerung

Bevor ich auf die Methoden der Wertmessung eingehe, kann man sich die Grundlagen dafür anschauen. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren; wir arbeiten typischerweise mit über 25 voneinander mehr oder minder abhängigen und objektiv messbaren Einflussgrößen. Zur Vereinfachung kann man diese in die drei Hauptbereiche zur Bildung des Unternehmenswertes einteilen:

• Die Marktposition und Wettbewerbsvorteile sowie deren Nachhaltigkeit
• Die aktuellen und prognostizierten Marktbedingungen
• Die Finanzkraft und -ergebnisse und deren Veränderung

In Summe und im Rahmen eines strukturierteren Verfahrens kann man daraus den eigentlichen Unternehmenswert errechnen. Das ist jedoch nur eine Momentaufnahme. Wertvoll wird die Übung erst durch eine Betrachtung über Zeit. Die Berechnungen haben das Potential aufzuzeigen, wo sich Aufwand zur Verbesserung lohnt. Es hat nichts mit dem kurzfristigem „Aufhübschen der Braut zu tun“, sich diese Faktoren lange vor dem Verkauf systematisch vorzunehmen und zu überlegen, wie der Wert des eigenen Unternehmens verbessert werden kann und die Readiness für den Verkauf hergestellt werden kann.

In einem gut vorbereiteten, strukturierten Prozess können Unternehmer:innen und deren Führungskräfte Potentiale entwickeln und Lücken schließen, lässt man ihnen nur ausreichend Zeit und die Möglichkeiten dazu. Käufer mögen keine Überraschungen im Prüfungsprozess (und natürlich noch weniger danach!) und daher profitieren beide Seiten vom längerfristig angesetzten und vom Ende her (Closing) durchdachten Prozess.

Bei einer beispielhaften Transaktion mit einem angenommenen Unternehmenswert von z.B. 50 Mio. € kann es zu siebenstelligen Abschlägen kommen, wenn die zweite Führungsebene unzureichend besetzt ist. Die frühzeitige „Reparatur“ ist deutlich günstiger und für beide Seiten in Summe attraktiver. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass es sich keineswegs um ein Nullsummenspiel handelt, also was eine Partei erlangt, verliert die andere, sondern beide Seiten gewinnen können.

Ein anderes Beispiel: das mit Anfangserfolgen gut belegte neue Geschäft, solange nicht so weit vom Kern zu verorten ist, hat das Potential eine Expansionsplanung zu legitimeren, die wiederum Teil der Bewertung ist. Die Differenz z.B. zwischen 8 % und 16% nachhaltigem Wachstum, keine Seltenheit in der Softwarebranche, können schnell 5 –10 Mio. € Differenz im Unternehmenswert ausmachen. Eine hohe Summe für ein mittelständisches Unternehmen. Genau zu diesem Punkt sei angemerkt: „Wachstum schlägt alles“, solange es eben nachhaltig und belegbar ist. Jede Methode der Wertermittlung wird dies nachweisen. Und: am Ende des Tages sind dies nur Hilfsmittel, um die Werthaltigkeit vergleichbar zu machen und fundiert belegen zu können.

Vorsicht bei beliebten Anpassungen der Berechnungsgrundlagen

Und dann ist da noch das Thema der Anpassungen des zunächst ermittelten Unternehmenswertes, im Fachjargon besser bekannt als „EBITDA-Adjustments“ und „Equity Bridges“. Was für den einen Horror ist, in der Regel EBITDA-Adjustments für Käufer und Equity Bridges für Verkäufer, ist es logischerweise parteibedingt genau umgekehrt. Beiden Parteien kann man nur raten, die jeweiligen Grundlagen dazu fundiert und dem Ausmaß angemessen auszuwählen. Bei langen Verhandlungen rechnen sich die investierten Zeiten für die Aufstellung, Berechnung, Verprobung und Verteidigung oft nicht wirklich und man ist besser beraten voranzumachen; der „echte“ Markt, die Zufriedenstellung von Kunden und Kundinnen, Mitarbeitenden und die Supply-Side, die warten bekanntermaßen nicht.

Natürlich ist es korrekt, dass Unternehmer:innen, solange niemand Externes beteiligt ist, den Gewinn anders steuern als z.B. eine Private Equity Gesellschaft. Das hat viele Gründe und die steuerlichen sind meist nicht die wichtigsten. Ebenso verständlich und gerechtfertigt ist es aber bei der Unternehmenswertermittlung die Gewinnbasis durch Anpassungen gedacht für fremde Dritte bereinigt darzustellen. Beispiele sind Gehälter der Eigentümer:innen, die dann nicht oder nur noch teilweise anfallen, Aufwendungen für die Veräußerung des Unternehmens, Sponsoring welches nachweislich das Geschäft nicht fördert. Wir haben in den letzten 20 Jahren viele Aufwendungen gesehen, die nicht direkt dem operativen Geschäft zuzuordnen sind, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Es ist die Aufgabe des M&A Beraters in beiden Fällen aufzuklären, bei der Datenerfassung und Darstellung behilflich zu sein und sämtlich relevanten Faktoren zu verhandeln. Tut er oder sie dies nicht, bleibt ein verwirrter Mandant zurück. Die Sachverhalte können ziemlich komplex sein und Chancen zur Wertsteigerung oder Erhaltung leicht verpasst werden.

Die Methoden und Fazit

Wie also den Gesamtunternehmenswert messen? Sämtliche Klassische Methoden hierzu sind sehr gut dokumentiert (Wikipedia, ChatGPT), daher lohnt die praktische Anwendung mehr als eine theoretische Abhandlung darüber. Es ist empfehlenswert sich nicht nur auf ein Verfahren einzuschießen. Als ein nützliches Vorgehen hat sich eine balancierte Mischung aus der eher externen (Multiplikatoren) und internen Sicht (Nettobarwert abgezinster Cash-Flows) zu nutzen. Diese Analyse wird einen fixen Wert oder Bandbreite ergeben, die noch durch die Vermögenssituation des Unternehmens anzupassen ist.

Aber: wie eingangs erwähnt. Diese Analyse kann den Wert eines Unternehmens widerspiegeln, gewinnt jedoch erst wirklich an Bedeutung, wenn man sie strategisch einsetzt, das heißt über Zeit zum Aufbau von Werten. Jedes Unternehmen ist einmalig durch die Einzigartigkeit der Wertschöpfungskette. Und – bei aller Bedeutung und Wert von Bilanzstärke, Patenten, Produktionsanlagen, Marken usw.; es sind die Menschen, deren geschickter Einsatz, Motivation und Fähigkeiten, den Wert maßgeblich beeinflussen und da reicht eine Discounted Cash-Flow Analyse bei weitem nicht aus, um dem gerecht zu werden.

Am Ende des Tages wird der Preis am Schluss doch bestimmt durch die Bereitschaft eines Käufers „Geld auf den Tisch zu packen“. Egal was die Bewertungsmethoden ausgeben, hängt dies auch von deren strategischen Interessen, Egoismen, Modeerscheinungen, Wettbewerb und Alternativen ab.

Insofern ist die Orientierung an potenziellen Käufern und deren Interessen genauso wichtig, wie die strukturierte interne Arbeit, eigene Werte zu steigern. Das, gepaart mit einem Transaktionsprozess, orientiert an einer gesunden Anzahl von Bietern, ist eine gute Basis nicht nur einen überdurchschnittlichen Preis zu erreichen, sondern eben auch gemeinsam Wert für die Käufer zu schaffen.

Als Strategie- und M&A Berater haben wir hunderte Transaktionen gesehen und begleitet. Eins ist mir dabei klar geworden: der erzielte Preis ist für beide Parteien zentral. Wenn aber der Gesamtwert und der Prozess nicht stimmen, dann ist auch die beste, härteste und zynischste Preisverhandlung von keinem hohen Wert

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Gastautor

Christoph Löslein

Christoph Löslein
Founding Partner
Board Advisors Deutschland

 

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